Leistungsstarke Breitbandnetze sind seit einigen Jahrzehnten zum Kern des schnellen Informations- und Wissensaustausch geworden. Ihre Zuverlässigkeit sowie die Sicherheit der auszutauschenden Informationen sind für die Wirtschaft und Gesellschaft ebenso von großer Bedeutung wie die Existenz eines gut ausgebauten Straßennetzes. Inzwischen sind Breitbandnetze zum Entscheidungskriterium für viele Unternehmen und Haushalte geworden. Sie erhöhen nicht nur die Attraktivität der Region, sondern steigern auch ihren Marktwert. Insbesondere werden dadurch mehr Arbeitsplätze geschaffen und der Weg zur Digitalisierung, Innovation und zum Wachstum geebnet.

Trotz der unzähligen Vorteile leistungsstarker Breitbandnetze basierend auf Glasfaser hängt Deutschland hinter vielen anderen Industrieländern hinterher und behilft sich mit Maßnahmen wie „Vectoring“ und „Supervectoring“. Dies ist eine Technologie, die eine Erweiterung des schon bestehenden VDSL-Netzes -„Very High Speed Digital Subscriber Line“- darstellt, welche auf ADSL „Asymmetric Digital Subscriber Line“ erfolgte und ein Nachfolger der alten ISDN-Verbindung ist.

Der Nachteil bei ADSL war der niedrige Datendurchsatz von ca. 16 Mbit/s, der durch VDSL auf ca. 100 Mbit/s gesteigert wurde. Dieser zwischen den beiden Techniken – ADSL und VDSL – bestehende Unterschied liegt vor allem bei den verwendeten Kabeln. Während bei ADSL die komplette Leitung von der Vermittlungsstelle über den Verteilerkasten bis hin zur Wohnung aus Kupfer besteht, liegen bei VDSL Glasfaser zwischen der Vermittlungsstelle und dem Verteilerkasten vor.

Beim Datenverkehr entstehen in den Kupferkabeln elektromagnetische Störungen, die die Qualität der Signale erheblich beeinträchtigen und somit die Geschwindigkeit reduzieren. Insbesondere bereitet das sogenannte Übersprechen (Crosstalk) große Probleme, bei dem sich unterschiedliche Signale aus verschiedenen Kabeladern überlagern. Vectoring bzw. Supervectoring hebt diese Störungen auf und erlaubt dadurch höhere Bitraten. Komplett ausschalten lässt sich das Übersprechen jedoch nicht. Eine Lösung hierbei wäre FTTH (Fiber to the home), also Glasfaser bis ins Haus.

Die Kluft weitet sich aus

Derzeit verfügt Deutschland über ca. 32 Millionen Breitbandanschlüsse, wovon die Mehrheit in Großstädten und Ballungsgebieten wiederzufinden ist. Eine von Verivox im Dezember 2019 veröffentlichte Studie verdeutlichte diese Entwicklungsdiskrepanz zwischen den Großstädten und ländlichen Regionen. Während die Nutzer in Karlsruhe, Mannheim und Stuttgart sich über eine Bandbreite von über 130 Mbit/s freuen können, kommen die ländlichen Regionen durchschnittlich nur auf 80 Mbit/s. Ein Sprecher des Verkehrsministeriums bestätigte diesen Unterschied. Außerdem sind die Leitungen oft aufgrund des hohen gleichzeitigen Datentransfers, etwa durch Videostreaming, überbelastet und die gebuchten Bitraten werden kaum realisiert, insofern muss sich der Kunde mit einer niedrigen Geschwindigkeitsrate als gebucht abfinden.

Nicht nur Haushalte sind davon betroffen, sondern auch die Gewerbebetriebe, um die es ähnlich bestellt ist. Laut der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ sind ein Drittel der Gewebebetriebe in Deutschland unterversorgt. Ihnen fehlt ebenfalls der Anschluss an ein schnelles Internet.

Die Liebe zum Kupfer

Deutschland vermag auf den ersten Blick einen ganz guten Eindruck im Hinblick auf die Breitbandversorgung machen, wenn man sich die Zahlen des Statistischen Bundesamts aus dem Jahr 2018 mit dem Durchschnitt der anderen OECD-Staaten vor Augen führt. Laut diesen Zahlen verfügen 87% der Haushalte in Deutschland über einen Breitbandanschluss. Nicht zu vergessen ist hierbei jedoch, dass das Statistische Bundesamt das mobile Internet auch als Breitband zählt. Im Gegensatz zu Japan und Südkorea, wo drei Viertel aller Haushalte von einer Glasfaserleitung profitieren, sind es in Deutschland leicht mehr als zwei Prozent. Der aus dem Jahr 2016 stammende ambitionierte Plan der Bundesregierung, einen flächendeckenden Breitbandausbau mit Gigabitraten jedem bis 2025 zur Verfügung zu stellen, wurde später vom Europäischen Rechnungshof in Frage gestellt. Er ließ schon 2018 verlautbaren, dass die Breitband-Ziele Deutschlands bis 2025 nicht zu erreichen seien. Dem Bericht des Europäischen Rechnungshofs zufolge ist dieses dem „Vectoring“ zu verdanken. Außerdem sagte auch Eugen Ensinger, der Verivox-Telekommunikationsexperte, dass „Das Ziel der Bundesregierung, bis 2025 flächendeckend eine gigabitfähige Infrastruktur zu schaffen, ist angesichts der nach wie vor großen Versorgungsunterschiede mehr als ambitioniert.“

Während die OECD-Staaten schon längst den Zeitgeist entdeckt und die Entwicklung der digitalen Infrastruktur vorangetrieben haben, hat die Bundesregierung die Kupferkabel zur Lebensader auserkoren. Allen voran die teilstaatliche Telekom, die vehement das Dienstende der alten Kupferleitungen mit Vectoring zu verhindern versucht.

Regierung und Anbieter

Im Dezember 2019 äußerste sich ein Sprecher des Verkehrsministeriums auf Anfrage des SPIEGEL über ein Gefälle zwischen Stadt und Land bei der Breitbandversorgung. Es gäbe einen Unterscheid von ca. 20%.  In der Stadt könnten 97,4% der Haushalte auf mindestens 30 MBit/s zugreifen, wobei es auf dem Land nur 75,1 % seien. Es sei jedoch eine „große Ausbaudynamik erkennbar“. Die Bundesregierung treibe die Breitbandversorgung flächendeckend mit viel Elan voran. Ziel der Bundesregierung sei es, möglichst viele Regionen mit Glasfaser zu versorgen. Torsten Gerpott, Professor für Telekommunikationswirtschaft an der Universität Duisburg-Essen, kritisiert die „zu späte, zu knappe und zu bürokratische Vergabe von Breitband-Fördermitteln durch den Bund.“

Die Vorwürfe der Kritiker, dass die Entwicklung in gigabitfähige Infrastruktur zu langsam liefe, weist Vodafone zurück. Laut einem Sprecher wird der Ausbau mit Hochdruck vorangetrieben. Das Ziel sei, bis 2022 ca. 25 Millionen Haushalte mit einer Gigabitrate zu versorgen. Ein schleppender Ausbau sähe anders aus, so der Sprecher. Ähnliches ist seitens Telekom zu hören. Man leiste „gerade im ländlichen Raum sehr viel für den Breitband-Ausbau“, so eine Sprecherin der Telekom. Hauptknackpunkt dabei ist nicht die Leitung vom Anbieter zum Verteilerkasten, sondern vom Verteilerkasten zum Keller oder in die Wohnung hinein. Diese letzte Meile ist eine teure Angelegenheit für viele Anbieter. Daher liegen meistens auf dieser letzten Meile Kupferkabel, die manchmal 80 Jahre alt sind.

Ein Problem bei den Kupferkabeln ist die Anfälligkeit gegenüber hohen Bitraten. Somit ist die Geschwindigkeit nicht nachhaltig und die Leitung kann schnell ihre Grenzen erreichen. Anstatt sich der Entwicklung der Glasfaserkabel zu widmen, setzen viele der deutschen Anbieter auf Kupferleitung mit Supervectoring, mit der aus den alten Kupferkabeln hohe Bitraten rausgequetscht werden können. Ein umstrittenes Verfahrenwelches Kritikern zufolge für eine Ausbremsung der Glasfaserentwicklung verantwortlich ist.

Außerdem bemängeln die Experten die Umsetzung der Förderprogramme seitens der Bundesregierung. Um Fördermittel zu erhalten, müssen komplexe bürokratische Schritte durchlaufen werden. Erst 2015 wurden vier Milliarden Euro für ein Förderprogramm festgelegt. Drei Jahre später waren lediglich drei Milliarden Euro für Projekte zugesagt und nur ein Bruchteil davon verbaut, so Nick Kriegeskotte vom Branchenverband Bitkom.

5G und die Glasfaser

5G ist der Mobilfunkstandard der 5. Generation und mit einer theoretischen Bandbreite bis zu 10 Gbit/s etwa 100mal schneller als sein noch im Betrieb befindender Vorgänger LTE mit 100 Mbit/s. Solche hohen Datenmengen benötigen jedoch höhere Frequenzen, die allerdings von den momentanen Endgeräten gar nicht unterstützt werden. Deswegen werden 5G-Netze deutlicher engmaschiger sein als die heutigen Netze. Aufgrund höherer Frequenzbereiche, einer von nur wenigen 100 Metern betragenden Reichweite sowie eines schlechten Durchdringungsvermögens wird jedoch jedes noch so kleine Hindernis zum Abbruch der Übertragung führen. Die Herausforderung für die Anbieter ist also groß.

Auf der anderen Seite sind die niedrigen Latenzzeiten, die unter einer Millisekunde liegen, wohl der größte Vorteil im Falle einer Echtzeitübertragung und einer Anbindung vieler Endgeräte. Dies wird unter anderem über sogenannte Network-Slices bewerkstelligt. Es sind praktisch separate Netze, die auf bestimmte Funktion hin ausgebaut und optimiert werden.

Den hohen Ansprüchen der 5G-Netze wird Richtfunk aufgrund der niedrigen Datenrate und der niedrigen Kapazität nicht mehr genügen und die neuen Mobilfunk-Basisstationen werden einer Anbindung an Glasfaserleitung bedürfen. Daher ist die Devise: Ohne Glasfaser kein 5G!

Handlungsbedarf zur Digitalisierung

Es bedarf einer bundesweiten einheitlichen Lösung. Die Politik des letzten Jahrzehnts in Bezug auf die digitale Infrastruktur ist maßgeblich daran beteiligt, dass Deutschland in dieser Hinsicht zu den Schlusslichtern gehört. Eine sinnvoll gezielte Förderung zum Ausbau der Glasfaserleitungen ist der Weg in die Zukunft. Anstatt die einzelnen Regionen hinsichtlich der Brandbreitenversorgung zu modernisieren, soll die Bundesregierung den Breitbandausbau mit vereinfachten Auflagen subventionieren. Das Antragsverfahren soll unkompliziert und zügig sein, sodass die Anträge ohne Hilfe gestellt werden können. Eine gut ausgebaute digitale Infrastruktur wird nicht nur den Verbrauchern zugutekommen, die unter anderem aufgrund des mangelnden Wettbewerbs außerhalb der Ballungsgebiete einen höheren Preis zahlen, sondern auch einen gesunden Markt schaffen und somit das Monopol einiger Anbieter zugunsten der Verbraucher abschwächen. Zusätzlich kann der Staat den Ausbau dort unterstützen, wo dies für Anbieter nicht mehr lukrativ ist. Der Staat wird die Attraktivität dieser Gebiete dadurch steigern und wird verhindern, dass diese Gebiete noch weiter abfallen. Eine Überlegung wäre es auch wert, die Anbindung für Gewerbebetriebe an Glasfaser durch Zuschüsse zu unterstützen. Leider sind diese Kosten in allen Digitalförderungen, ob Land oder Bund (BIG-Digital, go-digital u.a.) ausgeschlossen.